Ein sehr persönlicher Bericht von „Emma“ der uns so bewegt hat, dass wir Ihn auch mit euch teilen möchten.
Wir hoffen euch mit solchen berichten euch zu helfen und Mut zu machen für euer Leben.
Liebe Leser*innen,
regelmäßig bekomme ich Nachrichten, in denen von Sorgen, Leid und Ängsten geschrieben wird – negative Gefühle gegenüber der Partnerin, weil sich in einem selber etwas verändert hat und die Angst vor einem Gespräch, Unverständnis und der möglichen Ablehnung der Partnerin groß ist. Worum geht es in diesem Beitrag? Ich möchte gerne meine Gedanken und Erfahrung aus meiner Perspektive wiedergeben – eines Mannes, der das innere Verlangen verspürt, seine weibliche Seite ausleben zu wollen. Außerdem über das Tragen von Damenkleidung und Silikonbrüsten in der Beziehung und wie ich mit meiner Partnerin darüber gesprochen habe.
Zu Beginn möchte ich gleich sagen, dass ich keine Psychologin bin. Doch auch ich habe mich aufgrund meines Wesens und meiner eigenen Gefühle mit diesem Thema lange auseinandersetzen müssen. Hier geht es nicht um Statistiken oder Wissenschaft. Meine Erfahrungen beruhen auf dem was ich über die Jahre wahrgenommen und selber erlebt habe. Dieser Beitrag liefert auch nicht die Lösung für „alle Probleme“, aber vielleicht einen möglichen Weg, wie ihr mit eurer Partnerin über eure Wünsche und Gefühle sprechen könnt. Auch eine psychologische Beratungsstelle in der Umgebung kann sehr hilfreich sein um das erste Gespräch (vielleicht auch zu dritt) zu führen.
Was ist bei mir anders?
Seit meiner Kindheit, ich dürfte vielleicht ca. 13 Jahre alt gewesen sein, interessiere ich mich für „Frauensachen“ wie Damenwäsche, -kleidung, Lippenstift, Nagellack usw. Auch davor habe ich schon viel lieber mit Puppen gespielt und meine Zeit mit Freundinnen anstatt Freunden verbracht. Mit der Pubertät kamen die Haare an den Beinen, im Intimbereich und im Gesicht. Ich fand es furchtbar und begann sie mit allen Mitteln zu entfernen. Ich wollte Dessous, BHs und Kleider tragen – mich darin bestaunen und wohlfühlen.
Über die Motivation dahinter war ich mir nicht klar. Dafür war ich zu unreflektiert, auch gab es noch nicht diese Flut an Informationen, selbst der Internetzugang war für viele etwas Besonderes. Ich fühlte mich mit meinem Verlangen eher schlecht, versuchte heimlich Damenwäsche zu tragen, oder versteckte meine rasierten Beine im Sommer unter langen Hosen. Kinder können grausam sein, der Druck in den Klassen und der Gruppenzwang ist ebenso grausam und sorgt z.T. für großes Leid bei denen die anders sind. Ich blieb also eher der Einzelgänger um mehr ich selbst sein können. Als ich damals mit 20 Jahren meine jetzige Partnerin kennengelernt hatte, ließ ich meine Haare wieder wachsen und entsorgte meine Frauenkleidung. Ich machte sozusagen einen Reset und meine andere Seite trat in den Hintergrund.
Ich spürte die Unausgeglichenheit in mir, aber verdrängte sie viele Jahre. Manchmal tauschten wir zum Spaß Unterwäsche, Strumpfhosen und Kleider. Für mich war es in diesem Moment aber viel mehr als Spaß. Einmal behielt ich die Sachen einfach an, sagte meiner Partnerin, dass es mir gefällt. Vorteil war, dass es mir auch tatsächlich irgendwie stand. So verging eine lange Zeit. Ab und zu mal, in einem „lustigen Moment“, trug ich Frauenkleidung, ohne dass meine Partnerin das hinterfragt hatte. Ich wurde älter und selbstbewusster. Ich überraschte meine Partnerin mit einer Intimrasur. Ihr gefiel es. Ich erwischte mich, wie ich von Zeit zu Zeit bei der Rasur immer mehr die Beine mit einbezog. Das verlangen war groß wieder alles zu entfernen. Ich sprach ihre rasierten Beine an, wie gesund und schön sie aussahen, wie glatt sie sich anfühlten. Ich frage wie das wohl bei mir aussehen würde, worauf sie antwortete: „Probiere es doch aus“. Auch da hatte ich aus einer lustigen und leichten Situation heraus, mir einen großen Wunsch erfüllen können.
So kann es nicht weitergehen!
2015 hatten wir in unserer Beziehung aus verschiedensten Gründen eine sehr schwere Zeit und es stand kurz vor dem aus. Keine Seltenheit, wenn man in jungen Jahren zusammenfindet, noch nicht weiß was man vom Leben will, sich ggf. unterschiedlich entwickelt. Ich hatte viel Zeit über unsere Beziehung und auch über mich nachzudenken – auch über Emma. Online hat man fast überall Berührungspunkte zu Themen wie Gender Fluidity, non-binary, Crossdresser, Trans*, Divers usw. Das ist wirklich toll, weil die Menschen damit konfrontiert werden, es für sie zu einer Gewohnheit wird und sie gegenüber uns toleranter werden. Bei meiner Recherche bin ich natürlich auch schnell auf die ganzen tollen Produkte gestoßen. Für mich tat sich eine neue Welt auf. Ich bestellte mir meine ersten Silikonbrüste und einen Taschen-BH. Die Aufregung war unaushaltbar. Anfangs trug ich sie erst heimlich, als ich daheim war. Mit meinen warmen Silikonbrüsten fühlte ich mich wohl, vollständiger, geborgener.
Was ich in der schweren Zeit mit meiner Partnerin gelernt hatte war, dass Kommunikation einfach das Wichtigste in der Beziehung ist. Alles was nicht ausgesprochen wird, staut sich an und kommt irgendwann auf einen zurück. Meinst in so einem Moment, wo die Zeit sowieso nicht einfach ist. Alles Negative was in der Luft liegt und nicht ausgesprochen wird, belastet die Beziehung permanent. Bei einem Streit, und auch ein Streit gehört zu jeder gesunden Beziehung mit dazu, können über Jahre nicht ausgesprochene Dinge alles eskalieren lassen, oder wie bei uns, fast zu einem Ende der Beziehung führen. Wir sind beide froh, dass wir noch einmal die Kurve bekommen haben und wollen die Fehler nun nicht mehr machen. Ich entschloss also meiner Partnerin auch von meiner weiblichen Seite zu erzählen.
Wie sage ich es meiner Partnerin?
Während man die Veränderungen selber über längere Zeit wahrnimmt, darüber liest, sich in Foren austauscht, hat die Partnerin bisher nichts damit zu tun gehabt. Was euch angeht, seid ihr irgendwann Spezialisten*innen und entwickelt, wenn auch vielleicht noch im Verborgenen, eine Gewohnheit bzw. Vertrautheit mit eurer weiblichen Seite. Eure Partnerin ahnt vielleicht noch nichts und auch ich wollte meine Partnerin nicht damit völlig überrumpeln. Ich beschloss es ihr langsam zu erklären.
Momente können geplant sein, oder sich auch durch Zufall ergeben. Ein Zufall kann z.B. sein, dass ihr bei einem Ausflug oder Städtebesuch selber eine Person seht, die Trans sein könnte und dann sagt: „Schau mal Schatz, die Frau könnte mal ein Mann gewesen sein. Ich finde es toll, wenn Menschen das ausleben und tun was sie glücklich macht“. Das ist eine prima Einleitung um sie beim Bummeln über ihre Meinung auszufragen und darüber zu diskutieren. Georgine Kellermann, Leiterin des WDR-Studios in Essen, entschloss sich mit 62 Jahren ganz offiziell als Transgender zu outen, was durch die ganzen Medien ging. Das ist so wunderbar! Wir brauchen mehr solche Menschen die damit an die Öffentlichkeit gehen und die Leute für diese Themen zu sensibilisieren. Noch ein Anknüpfpunkt für ein Gespräch zu zweit.
Auch bei Filmen oder Serien kommen immer Menschen vor, die Trans sind, oder besetzen sogar Hauptrollen. Vor einigen Jahren noch nicht denkbar. Recherchiert etwas und schlagt doch mal einen Film vor. Auch YouTube und die Mediatheken sind eine prima Quelle, um mal beim Abendessen mit dem Laptop auf dem Tisch etwas nebenher anzuschauen, weil dich „durch Zufall“ die Doku „Mein Vater ist jetzt eine Frau“ interessiert. Solche Momente sind planbar um eure Partnerin damit immer wieder mal zu konfrontieren.
Ist eure Beziehung gut und seid schon lange zusammen, oder sogar vielleicht verheiratet, ist nach einem Coming-out nicht gleich alles vorbei. Auch wenn ihr von eurer weiblichen Seite und dem Wunsch Damenkleidung zu tragen sprecht, seid ihr immer noch der gleiche fürsorgliche und liebende Partner. Sagt ihr, dass sich daran nichts ändern wird.
Gebt eurer Partnerin Zeit um darüber nachzudenken. Stellt eure feminine Seite vielleicht nach dem ersten Gespräch etwas in den Hintergrund und unternehmt etwas als Partner, so wie sie euch kennt. Zeigt ihr, dass obwohl ihr von eurer weiblichen Seite erzählt habt, alles gut zwischen euch ist. Sie wird auf dich zukommen und dich auf das vergangene Gespräch ansprechen. Ich kann verstehen, dass du das schon lange mit dir herumträgst und einfach nur alles herauslassen möchtest. Insgesamt ist es meiner Meinung nach aber wichtig, über den ganzen Kennenlernprozess zwischen deiner Partnerin und deiner weiblichen Seite, viel Geduld und Zeit mitzubringen. Du hattest die Zeit auch gebraucht um dich selber kennenzulernen, bei mir waren es Jahre. Also gib deiner Partnerin Zeit.
Deine äußerliche Veränderung würde ich auch in langsamen Schritten machen. Ich habe meine Partnerin als erstes meine Silikonbüste gezeigt. Sie fand es total schräg und krass, die erste Reaktion war ablehnend, aber hab Verständnis dafür und lass dich davon nicht herunterzuziehen. Du bist wie bereits geschrieben eine Spezialistin was dein Wesen angeht, hast recherchiert und vielleicht schon etwas für deine äußerliche Veränderung gekauft. Für deine Partnerin ist das alles immer noch neu und die Reaktion nachvollziehbar. Sie wird sich aber auch daran gewöhnen. Frage sie ob du die Bürste mal anziehen sollst, sie wird es sehen wollen. Zeig es ihr und beschreibe was du dabei fühlst und frage sie wie es ihr dabei geht? Lass deine Brüste etwas ruhen und gibt deiner Freundin Zeit das zu verarbeiten. Macht schöne Dinge zusammen, als Partner und Partnerin. Hattet ihr eine gute Woche zusammen, nutze den Freitag- oder einen Wochenendabend um etwas gemeinsam zu Hause zu machen. Zieh dabei deine Silikonbrüste wieder an und erkläre ihr, dass du das Bedürfnis hast sie heute Abend zu tragen. Rücke dabei nicht dein verändertes Äußeres in den Mittelpunkt, sonst konzentriere dich darauf was ihr geplant habt – ein Spiel spielen, etwas kochen, einen Film schauen… Lass die Brüste einfach nur ein Teil von dir sein, als hätten sie schon immer zu dir gehört. Ich kann mich nur wiederholen, sie wird sich daran gewöhnen. Und ihre feinen Antennen werden es spüren, dass es dir guttut, denn wenn es einen Menschen gibt der dich kennt, dann ist es doch die Partnerin mit der du bereits so viel Zeit verbracht hast. Eurer Beziehung wird es guttun, wenn du dich nun endlich ausleben kannst.
Mit der Zeit könntest du z.B. einen neuen BH für deine Silikonbrüste kaufen. Zeige ihr was du Neues hast. Frage sie vorsichtig, ob du vielleicht mal ein Top von ihr anprobieren dürfest. Vielleicht habt ihr ja eine ähnliche Größe. Gute Momente sind dafür immer, wenn gerade alle entspannt sind, eine gewisse Leichtigkeit herrscht und ihr zusammen Spaß habt. Zieh zu Hause mal eine Strumpfhose an. Vielleicht nicht gleich eine Feinstrumpfhose, sondern eine dicke warme. Das ist dann eher wie eine Leggings und gerade in der kalten Winterzeit kuschlig warm und für deine Freundin etwas vertrauter und nachvollziehbar.
Ich denke mein Prinzip und wie ich meine Freundin für meine weibliche Seite sensibilisiert habe, ist nun klar. Die Kommunikation war dabei das wichtigste. Ganz offen zu erklären was man dabei fühlt, zu fragen wie es der Partnerin dabei geht, darüber zu sprechen, Verständnis für beide Seiten aufzubringen, zu sagen, was du dir wüschst.
Zuhause habe ich es nun geschafft sein zu können wer ich möchte und heiße nun an den Wochenenden „Emma“. Meine Freundin begleitet meine Entwicklung eine ganze Weile und unterstützt mich sogar inzwischen in dem sie mir z.B. auch mal etwas aus ihrem Kleiderschrank anbietet, oder mir meine Silikonbrüste für den Tag aussucht.
Der Schritt in die Öffentlichkeit
Mir fällt es schwer den Schritt in die Öffentlichkeit zu wagen. Zu Beginn hatte ich vom Gruppenzwang aus der Schulzeit geschrieben. Meiner Meinung nach ist es beim Erwachsensein ähnlich, nur dass die Klasse nun die Gesellschaft ist, die uns vorgibt wie wir uns verhalten sollten bzw. welche Rolle wir zu spielen haben. Zu groß wäre in meinem Fall das Opfer welches ich bringen müsste, um mich da draußen als Frau frei bewegen zu können. Ich habe auf die Konfrontation, Rechtfertigung vielleicht sogar Ablehnung keine Lust. Aufklärung ist hier eine Aufgabe von allen zusammen.
So begrenzt sich mein anderes Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit auf hübsche Unterwäsche und den weiblichen Rundungen meiner Oberweite beim Spazieren gehen in der Natur, da wo ich weitgehendst alleine sein kann. Ich muss nicht Mann oder Frau sein, ich kann einfach Ich sein. Daher gefällt mir der Begriff Gender Fluidity oder non-binary am besten, da doch alles ein Spektrum ist und man nicht alle Geschlechter einteilen können muss. Wir sind einfach Mensch. Und wenn mir eine andere Person entgegenkommt, nimmt sie mich als Mann war, bemerkt vielleicht im letzten Moment beim Vorbeigehen meine Brüste. Für mich ein Weg mich langsam an die Öffentlichkeit heranzutasten, zu schauen wie sie reagiert und die Möglichkeit mich Stück für Stück ein bisschen mehr zu trauen.
Ich hoffe ich konnte dir mit meinem Beitrag etwas Mut machen und vielleicht auf deinem eigenen Weg unterstützen. Ich denke wir haben es da draußen alle nicht leicht, aber das kann uns auch stärker, reflektierter und selbstbewusste machen. Und wenn du es geschafft hast mit deiner Partnerin darüber zu reden, kannst du dir bereits zu Hause dein eigenes „Emma-Paradies“ schaffen, dich dort wohl fühlen und wenn du bereit, da draußen gegen die ganze Welt antreten.